Dienstag, 2. Juli 2013

Ein Blick in die Kristallkugel - dabei war es nur Ultraschall

Es wäre schön, wenn man in jedem Augenblick des Lebens verstehen würde, warum etwas passiert.
Ich versuche mich schon seit Jahren an Gottvertrauen, doch manchmal verlässt mich dieser Glaube und ich bleibe alleine in der Dunkelheit zurück.

Ende Mai war ich bei meinem Kardiologen, der nach einem Checkup beiläufig sagte, mein Herz würde so wie es ist, es nur noch fünf Jahre "machen". Ich war sprachlos. Sowas darf man als Arzt doch nicht sagen! un-mög-lich! Ich lebe mit dem Bewußtsein, um mein Herzproblem schon seit fünfzehn Jahren, dass die Uhr nun auf einmal so laut ticken sollte, das war mir nicht bewusst. Ich fühlte mich doch nicht schlechter als sonst. Im Gegenteil. Eine zweite ärztliche Meinung war aber auch nicht viel anders, im Gegenteil, drei "gute" Jahre wurden mir da bescheinigt. Ist das jetzt so, dass man auf Rezept auch Endzeitprognosen bekommt? Es prallte zunächst an mir ab, ich lachte drüber. Mein Vater lebt schließlich seit dreißig Jahren mit dieser Prognose. "Noch zwei Jahre", hieß es damals bei ihm und jetzt ist er über siebzig und spielt immer noch Tennis. Ha!

Aber dann fing dieser Blick in die Kristallkugel doch an mir an zu nagen, wenn eh alles bald vorbei sein sollte, dann ist doch eh alles egal. Ich passte dieser nihilistischen Einstellung sofort meinen Essensplan an. Camembert, Munsterkäse, französische Rohkäsesorten in Abwechslung mit Raclette. Zum Frühstück, Mittag und Abendessen. Zwischendurch Pralinen und Trauben. Wie betäubt funktionierte ich. Milchprodukte betäuben übrigens tatsächlich. Ich hatte kein Selbstmitleid, ich nahm diese Prognose an und war resigniert. Dabei wollte ich doch kurz zuvor mein Leben zum Positiven wenden, mich selbständig machen und so richtig Freude am Leben haben. Und da spucken da so ein paar Ärzte in meine Suppe... Ich ärgerte mich etwas, dass sie meine tollen Pläne versauten. Denn die Pläne sahen gar nicht mehr so verlockend aus. Meine Wünsche und Ziele, das meiste davon war auf einmal nicht interessant und erschien mir als Zeitverschwendung.

Welcher Augenblick es letztlich war, der den Perspektivwechsel wieder brachte, weiß ich nicht mehr. Ich fragte mich, wenn ich wirklich nur die paar Jahre hätte, was würde ich da mit meinem Leben noch machen wollen. Bestimmt nicht nur drittklassigen Käse essen. Bestimmt nicht Werbetexte für andere schreiben. Bestimmt nicht nur Zeit vergeuden und mich von Tag zu Tag hangeln. Ich würde nur noch das tun wollen, was mir wichtig ist. Das tun, wo hinter ich hundertprozentig stehen könnte. Ich würde gesund essen, um so viel Energie zu haben wie nur möglich, für all das, was ich noch unbedingt machen möchte und hinterlassen will. Ich würde mich akzeptieren in all meinen Launen und Talenten, in all meinen Fehlern und Stärken, damit ich intensiv leben kann.

Das war der Punkt an dem mir klar wurde, dass man immer so leben sollte - egal ob man noch eine Woche oder noch hundert Jahre zu leben hat. Eine Garantie gibt mir kein Arzt der Welt, letztlich liegt es doch in Gottes Hand und es ist an mir, unbeirrt davon, das meine zu tun. Jetzt ist es wieder da, mein Gottvertrauen. Ich weiß jetzt, dass alles einen Sinn hat, auch wenn ich es in dem Moment, indem es mich trifft nicht erfassen kann. Es war gut, dass ich diese Prognosen bekommen habe, selbst wenn sie aus ärztlicher Sicht völlig unethisch waren. Aber ohne dieses Erlebnis wäre ich in eine Richtung geprescht, die nicht die meine gewesen wäre.
Die Erinnerung daran, dass unser Leben jederzeit vorbei sein könnte, war ein großes Geschenk genau zur richtigen Zeit.

2 Kommentare:

  1. Dein Artikel hat mich berührt und gleichzeitg auf den Boden zurückgeholt... Wir sollten immer nur so leben, dass wir das tun was uns wichtig ist.

    Danke!
    Ich wünsche Dir alles Liebe und hoffe noch ganz viel von Dir zu lesen;)
    Lieben Gruss
    Sarah

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  2. Liebe Magdalena,

    ich freue mich so sehr, dass Du seelisch zurückgefunden hast ins Leben und ich finde es weise, wie Du diese Erfahrung verarbeitet hast. Ich wünsche Dir noch lange, lange Jahre ganz viel Freude am Leben.

    Liebe Grüße
    Jutta

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